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Geschichte & Tradition


Warum entwickelt sich das Holzschnitzen genau im Grödnertal?

Es gibt einige Faktoren, die dazu beitrugen, dass sich gerade in Gröden das Holzschnitzen entwickeln und verbreiten konnte. Gröden hatte wie auch andere Täler keine besonderen Kennzeichen vorzuweisen, was die künstlerische Fähigkeit betrifft. Doch gibt es ein Merkmal das in Gröden zu finden ist, die Sprache; es handelt sich um eine rätoromanische Sprache, genannt 'Ladinisch'. Damals sprachen die Einheimischen fast einschließlich diese Sprache. In Gröden gab es, wie in vielen anderen Tälern auch, die Bergbauern. Grödens Hänge waren auf beiden Seiten recht steil und außer in den Dörfern selbst war der Ackeranbau sehr mühsam. Das Tal befindet sich auf einer Meereshöhe von über 1.200 m, in St. Christina bereits über 1.400 m. Die Erzeugnisse der Bauern auf diesem mageren Boden waren wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen sehr arm: vom Klimatischen Standpunkt aus, war es im Grödnertal zu kalt, damit das Getreide gut gedeihen konnte. Haupteinnahmequelle bleibt daher auch die Viehwirtschaft noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jh.. Milchwirtschaft, Käsebereitung und Ochsenmast spielen dabei die Hauptrolle. Es wird wohl die große Armut gewesen sein, die die Bergbauern dazu zwang, einen Nebenerwerb im langen Winter zu verrichten. Die Winter waren relativ lang; in höheren Lagen schneite es relativ viel. Die Bauern hatten gerade mal genug zum Überleben. Daher war es nicht zu wundern, wenn sie im Winter genug Zeit hatten um mit Messern und Schnitzeisen Werkzeug herzustellen. Die einzige Arbeit in dieser Zeit war es in den Wald oder auf die Alm zu gehen um Holz oder Heu mit dem Schlitten ins Tal zu fahren. Nichtstun konnte sich die bäuerliche Bevölkerung nicht leisten.
Das Aufblühen des Kunsthandwerks beruhte aber noch auf weitere Umstände: mit der Gegenreformation im 17. Jahrhundert erwachte ein verstärktes Interesse an Kultgegenständen figuraler Natur. Frommer Mystizismus gepaart mit weltlicher Daseinsfreude kennzeichneten dieses neue Empfinden. Im Barock fand es seinen höchsten künstlerischen Ausdruck. Das 17. und 18. Jahrhundert brachte viele kirchliche Neubauten oder die völlige Umstrukturierung bestehender Sakralbauten; gotische Altäre werden durch barocke ersetzt, in die Bauernstuben gelangen Kruzifixe, Hausaltäre, bei Prozessionen werden Heiligenstatuen getragen . All das führt zur Errichtung zahlreicher Kunstwerkstätten.


Die ersten bekannten Bildhauer

Bisher sind es um die 350 Jahre, dass in Gröden das Holzschnitzen betrieben wird. Der erste überlieferte Name eines Holzschnitzers ist jener Christian Trebingers (geb. um 1580 bei St. Jakob); sein Wirken als Holzbildhauer fällt ca. in die Jahre 1620/40, doch fehlen genaue Daten. Von ihm ist ein einziger Altar überliefert, ausgeführt für die Kirche von St. Christina. Seine jüngeren Brüder und Neffen waren primär Schnitzer und Bildhauer.
Wer Christian Trebingers Lehrer waren, wissen wir nicht. Zusammen mit seinen jüngeren Brüdern schnitzte er vorwiegend Rahmen, Uhrenständer und dgl. Von den Trebingers geht die Grödner Tradition der Verzierungsbilhauerei aus.
Als Begründer des Altarbaus in Gröden hat vielmehr die Bildhauerdynastie der Vinatzer zu gelten. Ihr Stammvater, der 1622 in St. Christina geborene Melchior (bis 1689), lernte bei Raffael Barat (bzw. Worath) in Brixen, ehe er seine Grödner Werkstatt eröffnete. Er war Figurenschnitzer und Altarbauer. 1650 wurde ihm dann von Raffael Barat aus Brixen das Lehrzeugnis verliehen. Er gab das Handwerk an seine Söhne weiter, die ihrerseits die Bildhauerdynastie fortführten. Während wir von ihm noch kaum Werke kennen, beschäftigen sich seine sechs Söhne bereits mit der Herstellung von Altären. Nach der Ausbildung in der väterlichen Werkstätte hatten sich einige von ihnen teilweise in Venedig und Rom fortgebildet.
Bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts schufen Mitglieder der Familie Vinatzer Altäre für Kirchen im heutigen Südtirol und Trentino. Dies bis in die vierte Generation. Einige Mitglieder der Familie bildeten sich akademisch weiter und ließen sich in Wien, Prag und Spanien nieder, wo sie Anerkennung und Ansehen erwarben.
Kurz nach 1800 erlosch die Bildhauerfamilie der Vinatzer. Damit endete die erste, barocke Phase des Grödner Altarbaus. Inzwischen hatten andere Grödner Familien das Figurenschnitzen übernommen.
Wahrscheinlich gab es im Tal schon vorher Bildschnitzer. Die einheimische Kunstproduktion erreichte im Mittelalter eine hohe Qualität und erfreute sich auch einer besonderen Förderung. Als Christian Trebinger und Melchior Vinatzer als Holzschnitzer tätig wurden, waren gewisse Voraussetzungen gegeben, worauf das spätere industriell betriebene Kunsthandwerk aufbauen konnte.


Die Entwicklung und Verbreitung

Anfang des 17. Jahrhunderts besaß Gröden wie auch viele andere landschaftlich unterentwickelte Hochtäler schon einige Heimindustrien. Älter war die Lodenwalkerei, während das Spitzenklöppeln sich später entwickelt hatte. Die Vertrautheit mit der Holzbearbeitung gewannen die Talbewohner jedoch durch die massenhafte Herstellung von Holzschüsseln. Dieses Hausgerät war nämlich in den Schweigen sehr gefragt. Mittels einen primitiven Drechselverfahrens stellte man die Schüsseln aus dem weichen Holz der Zirbelkiefer im Wald, wo man den Werkstoff gewonnen hatte, her.
Statuen und Altäre wurden als Auftragswerke erstellt; während die Kleinware gefertigt und dann von den Produzenten auf der Buckelkraxe im Hausierhandel in den Nachbargemeinden verkauft wurde. Bald wurde der Vertrieb von Berufskrämern übernommen. Diese kamen, teils zu Fuß, bis nach Portugal, Holland usw. Hier gründeten sie Handelsniederlassungen und ließen sich die Ware aus der Heimat schicken.
Schon bald nach 1800 gab es etliche hundert Grödner Handelsfirmen in den Städten ganz Europas, einzelne sogar in Nordamerika. Es war das Verdienst der unternehmungslustigen Grödner Händler, die es durch Absatzsteigerung soweit brachten, dass schon vor 1800 fast jede Grödner Kleinhäuslerfamilie ihren Lebensunterhalt durch Schnitzen bestreiten konnte.
Später, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wurde auch das Bemalen der Schnitzerware zu einem Nebenerwerb. Bis dahin gab man Statuen und Altäre in Werkstätten außerhalb des Tales zum Bemalen und Vergolden. Die Kleinware wurde zumeist unbemalt verkauft. Einzelne Artikel lieferte man bis nach Oberammergau zum bemalen. Ähnliche Holzindustrien waren auch bereits in Oberammergau, Berchtesgaden, an der Rhön, im Erzgebirge entstanden. Von dort kamen auch zahlreiche Anregungen.
Das Kunsthandwerk unterlag den Schwankungen des Marktes. Zeiten mit gutem Absatz alternierten mit schweren Krisen, in denen die besten Bildhauer arbeitslos waren, die Händler Hungerlöhne bezahlten. Es sind viele Anekdoten überliefert, die von diesen Zeiten zeugen. Der Raubbau an den Zirbelkieferbeständen, Holzfrevel, das Heimgartengehen, die Abkapselung der einzelnen Bildschnitzer, der Berufsneid, das eingeschlossene Zunftwesen.
Um der Abkapselung und dem daraus entstehenden Rückgang der Kreativität zu steuern, wurden im Tale Schulen errichtet, die zur Ausbildung der Bildhauer verhelfen sollten und wieder mehr Kreativität und Qualität in die Holzfiguren bringen sollten.
Einige Lehrlinge bildeten sich akademisch weiter, öffneten neue Werkstätten, bildeten ihrerseits junge Kräfte heran, so dass die Bildhauer rasch zunahmen.
Zugleich mit dem Aufschwung der Bildhauerei entfalteten sich auch andere Sparten wie die Kunsttischlerei, Fassmalerei und das Vergolden. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kam nämlich der Altarbau zu einer Geltung, was die Entwicklung der genannten Zweige des Kunsthandwerks mit bedingte. Es entstand ein großer Bedarf an qualifizierten Arbeitern und so kamen Maler, Tischler, Vergolder unter anderem aus Österreich, Deutschland, Böhmen ins Tal.
Nach dem 2. Weltkrieg kamen ganz neue Produktionsformen, damit Möglichkeiten der Rationalisierung und Produktionserweiterung, durch das Einführen des mechanischen Schnitzferfahrens auf.
Die Entwicklung des Grödner Kunsthandwerks ist gut dokumentiert. Das 1960 gegründeten Grödner Heimatmuseum in St. Ulrich, besitzt Exponate der namhaftesten Bildhauer sowie eine reiche Sammlung von Spielwaren.

(Autor: Insam Andreas)


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